Rechtsregister für Compliance-Themen

Ein Wald voller Bäume

Das häufig bemühte Bild vom Paragraphendschungel mag etwas überholt klingen, trifft den Kern der Situation aber recht gut: ein düsteres Gewirr, in dem es kein Durchkommen zu geben scheint. Die Machete in diesem Fall: Die Erstellung eines Rechtsregisters (manchmal auch „Rechtskataster“ genannt), das die aktuellen einschlägigen Gesetze und Vorschriften für ein Unternehmen, seine Bereiche bzw. Aktivitäten listet.

Die rechtlichen Anforderungen für Unternehmen oder nur eines komplexen Arbeitsbereichs umfassend durchdrungen und mit einem Tastendruck verfügbar zu haben, ist der Wunsch jeder Compliance- und Rechtsabteilung und bleibt dennoch eine Herausforderung. Ein in jeder Hinsicht vollständiges Rechtsregister ist in der Erstellung & Umsetzung mit (teils sehr hohem) Aufwand verbunden. Indes: Der Sache nach ist es auch mit „Bord-Mitteln“ zu bewerkstelligen. Die Komplexität hängt von verschiedenen Faktoren wie dem Umfang, der Komplexität sowie der Granularität eines Rechtsgebietes, aber auch der Häufigkeit von Novellierungen und Fragen der Zuständigkeit (insbesondere europäische, Bundes- oder Landesgesetzgebung) ab. [1]

Die folgenden Schritte sollen dabei helfen, sich jedenfalls einen soliden Überblick zur Rechtslage zu verschaffen, wobei der Schwerpunkt hier auf Compliance-Themen gelegt werden soll. [2]

Erfassung der Rechtslage

Wie man die Vielzahl an Gesetzen am besten durchblicken kann, hängt vom einzelnen Thema ab. Daher sind vorher weitere Kriterien zu betrachten, die mit einem überschaubarem Rechercheumfang festzustellen sind.

  • Welche Rechtsquellen gibt es?
    Zu wissen, wo Rechtsvorschriften für eine bestimmtes Thema zu finden sind, ist der Ausgangspunkt. Eine große Zahl von Rechtsquellen für ein Themengebiet schafft zusätzliche Komplexität. Beispielsweise sind die aus Unternehmenssicht einschlägigen Geldwäschevorschriften überwiegend im Geldwäschegesetz (GwG) zusammengefasst. Das macht es wesentlich einfacher, alle regulatorischen Vorschriften zu erfassen. In anderen Bereichen gibt es eine Vielzahl an Rechtsquellen, die parallel analysiert werden müssen.
  • Gibt es bereits Zusammenstellungen?
    In „klassischen“ Regulierungsfragen (z. B. DSGVO) existiert häufig bereits eine frei verfügbare Zusammenstellung gängiger Vorschriften auf den Internetseiten von Branchenverbänden, Anwaltskanzleien oder Regierungsorganen. In anderen Fällen kann auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Erstellung einer solchen Zusammenstellung empfehlenswert sein, insbesondere, wenn regionale Besonderheiten zu beachten sind (insb. im Bau- oder Umweltrecht, wenn etwa straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlich relevant).
  • Rechtsquellen durcharbeiten
    Wenn alle Rechtsquellen mithilfe von Zusammenstellungen, Stichwortsuchen oder rechtlicher Beratung identifiziert sind, müssen diese durchgearbeitet werden, um die genauen Anforderungen für einen bestimmten Bereich herauszustellen. Das kann die Rechtsabteilung des Unternehmens leisten, aber auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts ist hier erneut möglich.
  • Genaue Dokumentation
    Um ein vollständiges Rechtsregister auch perspektivisch zu gewährleisten, müssen der Prozess der Erstellung und die Ergebnisse gut dokumentiert werden. Das können prinzipiell auch ein Word-Dokument oder eine Excel-Tabelle leisten. Es sollte für jede Teilvorschrift einen eigenen Eintrag geben, welcher folgende Aspekte enthält: der genaue Umfang der Vorschrift, die präzise (!) Rechtsquelle der Vorschrift, die konkrete Anforderung für die Umsetzung im Unternehmen und – wichtig – das aktuelle Datum (Stand).

Kenntnis von Novellen, Reformen und neuen Vorhaben

Wer einmal die Rechtslage erfasst hat, möchte das Rechtsregister auch auf dem aktuellen Stand halten. Im Verhältnis zum ersten Teil ist dieser Bereich wesentlich einfacher zu erreichen, wenn man einer Strategie folgt. Mit drei Schritten lässt sich ein präziser Überblick über mögliche Veränderungen in der Rechtslage schaffen.

  • Offizielle Gesetzes-Newsletter
    Verschiedene Institutionen bieten kostenfreie Newsletter an, die über Gesetzesvorhaben berichten. Dabei ist einmal die Seite der Bundesregierung, die eine Liste aktueller Gesetzesvorhaben und Neuregelungen enthält, einschlägig (bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/gesetzesvorhaben-und-neuregelungen?). Ferner gibt es einen E-Mail-Newsletter des Bundesgesetzblattes (reguvis.de/bundesgesetzblatt/newsletter/gesetze-aktuell), der über neue Gesetze informiert. Allerdings betreffen diese beiden Lösungen nur die Gesetzgebung des Bundes. Daher ist es entscheidend, sich zu informieren, welche gesetzgeberische Ebene für den jeweiligen Bereich zuständig ist.
  • Presseschau
    Über allgemein relevante, einschlägige oder umstrittene Gesetzesvorhaben wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Presse berichtet. Hier kann eine Presseschau zu juristischen Themen hilfreich sein. So stellt der Haufe-Verlag auf seinen Themenseiten Recht und Compliance zahlreiche Debatten sowie aktuelle Rechtsfragen vor (haufe.de/compliance). Auch das Portal Legal Tribune Online (LTO) bietet eine kostenfreie Übersicht zu aktuellen Rechtsthemen und hilft dabei, einen Überblick zu rechtlichen Neuerungen zu erhalten (lto.de/index). Der Beck-Verlag bietet mit dem „Newsdienst Compliance“ oder dem „Newsdienst ZD-Aktuell“ Informationen zu neuen Entwicklungen im Compliance- und Datenschutzrecht an. Der Anbieter Lexology informiert recht umfangreich (auch international) über neue Regulierungsvorhaben und bespricht diese.
  • Strukturierte Suchmaschinenanfragen
    Auch eine regelmäßige Suchmaschinenanfrage (z. B. Google News) zu neuen Vorschriften im betreffenden Rechtsbereich kann schon einen Großteil der neuen Gesetzgebung abdecken. Eine solche Anfrage monatlich bis quartalsweise bringt großen Mehrwert und ist im Aufwand überschaubar.
  • Branchenverbände
    In Branchen von geringem öffentlichem Interesse ist die Wahrscheinlichkeit eines Medienechos geringer. Daher ist in solchen Fällen eine Presseschau wenig hilfreich. Hier können Branchenverbände helfen, die zumeist einen exzellenten Überblick über die in ihrem Bereich einschlägigen Themenbereiche haben, und ihren Mitgliedern diese Informationen oft online kostenlos zur Verfügung stellen.
  • Berufsverbände
    Organisationen wie Deutsches Institut für Compliance e. V. (DICO), der Berufsverband der Compliance Manager sind nur Beispiele für die zahlreichen Berufsverbände für Compliance-Verantwortliche, die über Veränderungen und Novellierungen etwa in Mitgliederbereichen oder durch Newsletter berichten können.

Der Dschungel ist also bezwingbar. Wichtig dabei: eine strukturierte Herangehensweise verfolgen, an der richtigen Stelle externen Rat einholen, und auch bei kniffligen Fragen dranbleiben. Dann behalten Sie immer den Überblick!

Ein Rechtsregister stellt eine gute Möglichkeit dar, den nötigen Überblick zu bekommen und zu erhalten. Zunächst ist es wichtig die Rechtslage zu erfassen und die einschlägigen Vorschriften für den jeweiligen Themenkomplex zu identifizieren. Anschließend ist der ermittelte Standt durch systematische Recherchen aktuell zu halten.

Welcome to the jungle!

[1] In komplexen Fällen kann auch spezialisierte Software eine Hilfe sein, etwa Quentic, VEA Rechtsmanager oder Gutwin Software.
[2] Welche Compliance-Themen in einem Unternehmen relevant sind, sollte allerdings vorab in einer Übersicht zu im Unternehmen relevanten Tätigkeiten, erfasst werden, idealerweise in einer strukturierten Compliance-Risikoanalyse, s. auch „12 Month Compliance Challenge“, Folge 3.