Die §§ 299a, 299b StGB in der Praxis – viel Lärm um Nichts?

Im Juni 2016 trat eine Reform der Korruptionstatbestände in Kraft, die zwei neue Straftatbestände vorsah: die §§ 299a, 299b StGB für (1) Bestechlichkeit sowie (2) Bestechung im Gesundheitswesen. Pläne dafür bestanden bereits seit 2013[1], nachdem der BGH 2012 in einem Urteil festgestellt hatte, niedergelassene Ärzte seien keine Verpflichteten i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 lit. c StGB seitens der Krankenkassen bzw. nicht deren Beauftragte i. S. d. § 299 StGB, sondern einzig den Patienten verpflichtet.[2] Eine Strafbarkeit des angeklagten Arztes nach § 332 StGB oder § 299 Abs. 1 StGB schied daher in dem zugrundeliegenden Urteil aus.[3]

Vier Jahre nach der Einführung der neuen §§ 299a ff. StGB lohnt es, sich die Auswirkungen der Gesetzesreform genauer anzusehen. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Zahl der polizeilich registrierten Fälle: Das Bundeslagebild Korruption 2017[4] nennt 62 polizeilich registrierte Straftaten gemäß § 299a StGB und 66 gemäß § 299b StGB, das Lagebild 2018[5] 40 Straftaten zu § 299a StGB und 29 zu § 299b StGB. Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für 2019 weist je 15 polizeilich registrierte Straftaten gemäß § 299a StGB und § 299b StGB aus.[6] Zum Teil wurden hier starke Unterschiede nach Bundesländern festgestellt.[7] Kurz gesagt – die Zahl der registrierten Straftaten ist ausgesprochen überschaubar.

Aus der Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes ergibt sich demgegenüber die Anzahl der (gerichtlich) Abgeurteilten und Verurteilten, differenziert nach Straftatbeständen. Im Jahr 2017 wurde eine Aburteilung erfasst (§ 300 i. V. m. § 299a, b StGB),[8] im Jahr 2018 keine Aburteilung oder Verurteilung.[9] Wer in juristischen Datenbanken nach den Vorschriften sucht, findet einzig Ausführungen zu Fragen der §§ 299a, 299b StGB in zivilrechtlichen Urteilen, z. B. ein Urteil des OLG Köln zu einer heilmittelwerberechtlichen Problematik, in deren Zusammenhang dann auch eine mögliche Strafbarkeit verneint wurde.[10]

Das ist schon ein bemerkenswertes Zwischenergebnis für eine Gesetzesreform, die 2016 als großer Wurf gegen Korruption in der Medizin- und Pharmabranche präsentiert wurde: In der Pressemeldung hatte sich der damalige Bundesminister der Justiz, Heiko Maas, wie folgt geäußert: „Durch das heute beschlossene Gesetz wird Korruption im Gesundheitswesen ein Riegel vorgeschoben.“[11] Welch Erklärungen kann es dafür geben? Einerseits könnte der Gesetzgeber das tatsächliche Ausmaß von Korruption im Gesundheitswesen überschätzt haben. Zudem stellt die Unrechtsvereinbarung wie bei allen Korruptionstatbeständen eine zentrale Voraussetzung und regelmäßige Hürde dar,[12] die nicht immer genommen werden kann. In der Praxis wird es in den meisten Fällen – siehe das Beispiel des OLG Köln – an genau dieser Unrechtsvereinbarung bzw. ihres ausreichenden Nachweises mangeln, was häufig Einstellungen der Ermittlungsverfahren, auch wegen Geringfügigkeit oder gegen Zahlung einer Geldauflage gemäß §§ 153, 153a StPO, zur Folgen haben dürfte. Zudem ist es möglich, dass eine lange Verfahrensdauer dazu beiträgt, dass bislang noch keines der Verfahren in Aburteilung oder Verurteilung mündete.

Fazit:

Die frühere Strafbarkeitslücke bei niedergelassenen Ärzten, welche der Gesetzgeber zu schließen im Sinn hatte, ist mit den neuen Vorschriften der §§ 299a, b StGB Geschichte. Die neuen Vorschriften kommen auch zur Anwendung und Ermittlungsverfahren werden eingeleitet. Dennoch sieht es so aus, dass der politische Wille, im Bereich der niedergelassenen Ärzte keine Lücke zu dulden, deutlich größer war als die Lücke selbst. Selbstverständlich bleiben die weiteren Entwicklungen abzuwarten.

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[1] Siehe das Arbeitspapier des Bundesministeriums für Gesundheit vom 03.04.2013, Abruf 24.09.2020).

[2] BGH, Beschluss vom 29.03. 2012 – GSSt 2/11 (LG Hamburg).

[3] A. a. O.

[4] „Korruption: Bundeslagebild 2017“, (Abruf 24.09.2020).

[5] „Korruption: Bundeslagebild 2018“, (Abruf 24.09.2020).

[6] PKS 2019, (Abruf 24.09.2020).

[7] „Korruption: Bundeslagebild 2017“, Fn. 4, mit Hinweis auf Niedersachsen, wo 50% der im Jahr 2017 registrierten Fälle herstammen sollen; s. dazu die Antwort der Niedersächsischen Landesregierung auf die Anfrage der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag vom 23.04.2019, Ds. 18/3557.

[8] Strafverfolgungsstatistik 2017, (Abruf 24.09.2020).

[9] Strafverfolgungsstatistik 2018, (Abruf 24.09.2020).

[10] OLG Köln, Urt. v. 07. 12. 2018 – 6 U 95/18.

[11] Pressemeldung des BMJV vom 14.06.2016, (Abruf 24.09.2020).

[12] „Bildet den Kern des Straftatbestandes“; MüKoStGB/Hohmann, § 299a Rn. 25; „Kernstück“; NK-StGB/Dannecker/Schröder, § 299a Rn. 131.